Wettbewerb 2018-19

„Glückauf am Theodorschacht!“

Das Zeitalter der Nutzung fossiler Ressourcen neigt sich dem Ende. Fernab vom Ruhrgebiet sind die letzten Tage für den deutschen Steinkohlenbergbau gezählt. Die Zeche Ibbenbüren im nördlichsten Zipfel Nordrhein-Westfalens gehört zu den beiden letzten ihrer Art. Ende 2018 wird sie geschlossen. Die Ibbenbürener Lagerstätte erstreckt sich von Uffeln im Nordwesten über Mettingen bis Laggenbeck im Südosten. Die übertägigen Anlagen des Bergwerks befinden sich an verschiedenen Schachtstandorten. Darüber hinaus werden zwei Bergehalden und zwei Kläranlagen betrieben. Bis zu 1.500 m ging es auf dem Gelände der RAG Anthrazit Ibbenbüren GmbH in die Tiefe. Für die zukünftige Entwicklung der Hauptanlagen „von Oeynhausen“ und „Nordschacht“ sieht ein Masterplanvorentwurf Flächen für kleinteiliges und großflächiges Gewerbe, für Bildung, Kultur und Freizeit, sowie für die zukunftsorientierte Kombination von Wohnen und Arbeiten vor.

Der „Theodorschacht“ befindet sich im südwestlichen Bereich des Bergwerks am Rande einer Wohnsiedlung auf einer Anhöhe mit Blick in die vornehmlich landwirtschaftlich genutzte Umgebung. Das Gebäudeensemble hat sich über Jahrzehnte entwickelt, ältester Bestand heute ist das Fördermaschinengebäude, ein Ziegelbau von 1903; dazu gesellen sich eine Schachthalle und zwei Lüfterbauwerke, wovon das letzte 1970 entstand. Aufgabe ist, die dem Ort innewohnende historische Bedeutung um eine neue zukunftsweisende zu bereichern und so seinen Fortbestand durch Umnutzung zu sichern und auch zu erweitern. Dabei kommt einer architektonischen Konzeption zum Dialog „Historie – unterirdisch“ und „Zukunft - mit Weit- und Ausblick“ große Bedeutung zu. Es soll ein Tagungs- und Lernzentrum entstehen, das Raum bietet für Seminare, außerschulische Bildung, workshops, Firmenevents und Veranstaltungen rund um das Thema Ressourcen. Das Pflichtraumprogramm kann um eine eigene (überschaubare) Nutzungsidee erweitert werden.

Preisträger

1. Preis

Sofie Fettig und Torben Ewaldt

 

„Hoch hinaus“ – mit diesem Ansatz schaffen die Verfasser einen starken Dialog zwischen der Historie Untertage und der zukünftigen Nutzung mit Weit- und Ausblick. Als oberstes Geschoss wird auf den nördlichen Lüfterturm ein „Neubau“ aufgesetzt, dessen Stahlelemente von der Zeche Ibbenbüren stammen und weiter genutzt werden. Der neu positionierte Förderturm aus der nahe gelegenen Schachtanlage von Oeynhausen dient der Erschließung und betont mit der markanten Tragstruktur den Charakter der Industriekultur. Das Fördermaschinenhaus wird in seinem ursprünglichen morbiden Charme erhalten. Um es räumlich zu gliedern, wird die Krananlage aus dem Außenbereich in den Innenraum versetzt und - mit einer Glashülle thermisch getrennt - als Bistro- und Frühstücksbereich genutzt. Die Sensibilität im Umgang mit dem Bestand zeigt sich in Details wie dem subtilen Umgang mit dem Fliesenmuster. Das architektonische Potenzial des Ortes, der Ausblick über das Terrain, wird erkannt und auf sensible Weise ausgeschöpft. Die Arbeit zeichnet sich durch einen stark ausformulierten Urban Mining Gedanken aus.

2. Preis

Jan Martin Müller

 

Der Entwurf „Glück Aufgeständert“ lässt den Boden weitgehend unberührt und reduziert damit den Flächenverbrauch auf ein Minimum. Über der Lüfteranlage wird ein aufgeständertes Stahlbauwerk errichtet, dessen Elemente aus dem Bergwerk gewonnen werden. Durch die Betonung der Längsachse und die Materialwahl fügt sich das neue Gästehaus wie selbstverständlich in die Umgebung und den Bestand ein. Die markante Erscheinung der Lüftertürme bleibt dank sensibler Integration in den Neubau erhalten. Die Anordnung des Gästehauses lässt Räume mit hoher Aufenthaltsqualität und reizvollem Ausblick entstehen. Das Maschinenhaus wird thermisch von innen ertüchtigt und als Seminarhaus weitergenutzt, während das unkonditionierte Lüftergebäude die Ausstellung beherbergt. Die Jury lobte die zurückhaltende Erscheinung und die Herausarbeitung des Industriecharakters. Der Urban Mining Gedanke wurde sowohl beim Materialeinsatz als auch mit Blick auf die Rückbau- und Recyclingfähigkeit am Nutzungsende sehr gut ausformuliert.

3. Preis

Ruth Mathilda Meigen und Lisa-Maria Behringer

 

Den Bildungsauftrag sehr ernst nehmend, nutzen die Verfasserinnen das Potenzial der vorhandenen Bildungsstätten im Umfeld des Theodorschachtes. Es werden sehr unterschiedliche, jedoch qualitativ hochwertige und interessante Räume zum Austauschen, Experimentieren und zur Wissensvermittlung bereit gestellt. Kreiselkipper, die im Bergwerk zur Entladung der vollen Kohlewagons dienten, erhalten eine neue Funktion als Schlafräume und symbolisieren den anstehenden Umbruch des „Gedanken-Kippens“, wobei die sichtbaren Spuren des Bergbaus (Rost, Kratzer) Teil des Entwurfs werden. Der Zusammenhang zwischen Energieerzeugung und -verbrauch wird erleb- und sichtbar: Beim Aufstieg in den „Skulpturm“ erzeugt jeder Stufentritt Strom und bringt das Innere zum Leuchten. Der Entwurf „Brainstation“ ist in der Detaillierung sehr umfangreich und liefert ein Feuerwerk an Ideen zum Urban Mining.

3. Preis

Marieteres Medynska und Jasmin Amann

 

Die „Grüne Mine“ macht das Spannungsverhältnis zwischen Untertage und Übertage sichtbar, indem die Verfasser eine zweite Raumschicht aus dem Bestand heraus wachsen lassen. Hierzu werden an funktional notwendigen Stellen die bestehenden Decken abgenommen und der darunter liegende Raum nach oben abgebildet. Die Bekleidung aus wiederverwendeten bergbautypisch-grünen Trapezblechen schafft eine mental nahe Verbindung zum Kontext und erhält den besonderen Industriecharme für das zukünftige Tagungszentrum. Blickbeziehungen und Lichteinschnitte schaffen hochqualitative, atmosphärische Innenräume und generieren einen kontrastreichen Bezug zwischen Oben und Unten. Die Funktionen Übertage dienen der Erholung, während sich der Besucher in der Ausstellung unter Tage auf die Thematik Bergbau einlassen kann. Die Arbeit überzeugt durch die Verbindung des Neuen mit dem Bestand auf psychologischer Ebene, z.B. durch Farbe und Licht, und ist mental nah am Ort.

Anerkennungen

Andreas Zahn

Wenzel Meyer und Corinna Kernl

Christina Sonnborn

Carina Noll

Katharina Blümke und Paulina Hipp

Preisgericht

Von links nach rechts:

Bernhard Busch, Dipl.-Ing. Architekt, agn Niederberghaus & Partner, Ibbenbüren (Vorsitz)

Anja Rosen, M.A. Architektin, Urban Mining e.V.

Prof. Dipl. Ing. Annette Hillebrandt Architektin BDA, Bergische Universität Wuppertal

Karin Lang, Geschäftsführerin Detail Verlag, München

Sabine Djahanschah, Dipl.-Ing. Architektin, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück

Prof. Dirk E. Hebel, Architekt, Karlsruher Institut für Technologie KIT, Karlsruhe